Samstag, 24. Januar 2009
 
Menschenrechtswidriges Fremdenrecht PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Montag, 9. Juli 2007

Jetzt kritisiert sogar der Menschenrechtsbeirat des Innenministeriums Gesetz und Praxis des Fremdenrechtspakets

Herr Islam Asuchanov aus Tschetschenien sitzt in Eisenstadt in Schubhaft. Er soll nach Russland zurückgeschoben werden obwohl ihm die Ärzte schwere Traumatisierung und Spuren physischer Folter bescheinigen. Letzte Woche verhinderte der Verfassungsgerichtshof die Abschiebung einer 80jährigen Türkin, deren Familie in Vorarlberg lebt. Obwohl sie ein Pflegefall ist, wollten sie die Beamten in die Türkei deportieren, wo sie keine Verwandten mehr hat. Die 16jährige Kroatin Anna Maria kam vor 14 Jahren mit ihren Eltern, die vor dem Bosnienkrieg flüchteten, nach Österreich. Die Vorzugsschülerin erfuhr erst vor wenigen Wochen, dass auch sie eine Abschiebekandidatin ist. Ihr Vater verdient zu wenig für eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung und bekommt ohne solche keine gut bezahlte Arbeit. Deswegen hatte er auch nicht genug Geld, um einen guten Anwalt zu bezahlen.

Es vergeht kein Tag, an dem nicht absurde Härtefälle bekannt werden: Ehegatten, die kraft Fremdenrecht auseinander gerissen werden, längst integrierte Familien, die fürchten müssen, im Morgengrauen von der Fremdenpolizei abgeholt zu werden, traumatisierte Asylsuchende, die in das Land abgeschoben werden sollen, wo sie verfolgt und gefoltert wurden – Opfer des verschärften Fremdenrechts, das mit Jahresbeginn 2006 in Kraft trat. „Bedauerliche Einzelfälle“ heißt es meist aus dem Innenministerium.

Die Häufung von Härtefällen beweist für den Menschenrechtsbeirat im Innenministerium, dass es nicht um unbeabsichtigte Kollateralschäden gehe, sondern um ein grundlegendes Problem von Gesetz und Praxis. In seinem heute (Montag) veröffentlichten Bericht gibt er klare Empfehlungen, die fremdenrechtliche Praxis sofort zu verbessern und das Gesetz zu reparieren. Dem Innenminister wurde der Bericht schon vor einer Woche vorgelegt. Der Beirat wurde 1999 eingerichtet, nachdem der nigerianische Asylwerber Marcus Omofuma während seiner Abschiebung erstickte. Der Mann war mit Klebeband geknebelt und am Flugzeugsitz fixiert worden. Der Beirat besteht aus Verfassungsjuristen, Rechtsanwälten, Vertretern von NGOs und Beamten des Innenministeriums. Er genießt Unabhängigkeit und Freiheit von Weisungen.

Immer wieder rechtfertigen Beamte ihre menschenrechtlich bedenklichen Entscheidungen damit, dass ihnen das Gesetz keine andere Wahl lasse. Deswegen heißt es im Bericht, „Der Gesetzgeber lässt den Aufenthaltsbehörden im Inland keinen Spielraum, den Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention angemessen zu berücksichtigen“. Der Artikel schützt das Privat- und Familienleben. Und, wie der Beirat dem Ministerium in Erinnerung ruft, habe dieses Privat- und Familienleben einen höheren Wert als eine Abschiebung aus öffentlichem Interesse. Ausnahmen gelten, wenn die Maßnahme dazu diene, um Verbrechen oder grobe Störungen der öffentlichen Ordnung zu verhindern. Diese Beweisführung sei aber Sache der Behörde. In der Praxis wird Schubhaft pauschal und auf bloßen Verdacht verhängt. Dazu der Bericht: „Eine Anhaltung zur Sicherung von fremdenpolizeilichen Maßnahmen auf Verdacht ist nach Auffassung des Beirates vom Bundesverfassungsgesetz nicht gedeckt“. Die im Regierungsprogramm von SPÖ und ÖVP versprochene Evaluierung des Fremdenrechts erübrige sich, meint der prominente Menschenrechtsexperte und UNO-Sonderberichterstatter für die Folter Manfred Nowak, denn diese habe – durch kompetente Gremien, wie den Menschenrechtsbeirat - bereits stattgefunden. Jetzt gelte es, die Konsequenzen zu ziehen.

Der Beirat bestätigt Kritik von Menschenrechts-NGOs, vom UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) und zuletzt von der EU, die Österreich wegen Verletzung der entsprechenden Richtlinie vor dem EU-Gerichtshof in Luxemburg klagen will. Die Reaktionen in Österreich waren erwartbar. Innenminister Platter ließ über seine Sprecherin ausrichten, die Gesetze seien nicht menschenrechtswidrig. Die Grünen wiederholten ihre Forderung nach einem gesetzlichen Bleiberecht für Langzeitasylwerber. Das Schicksal von Menschen, die jahrelang legal im Lande leben und integriert sind, solle nicht von einem Gnadenakt abhängig sein. Die FPÖ verlangt eine Verschärfung des Gesetzes und Jörg Haiders BZÖ meint, auf den Menschenrechtsbeirat solle man lieber verzichten.

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